Klaus Meyer-Oetzmann (geb. 1954) ist seit seinem ersten Lebensjahr Gast auf der Sonneninsel Ostfrieslands. Fast könnte man ihn „Ein Heimischer“ nennen und doch kann man es nicht. Geboren und aufgewachsen in der Großstadt Essen ist die Insel für ihn mit ihrer herausragenden Dünenlandschaft und Natur, ihrer bis heute zurückhaltenden Bebauung und Poesie ein Gegenentwurf zu der Welt, in der er und viele Gäste sich täglich behaupten müssen; erleben sie auf der Insel doch nur die schönen Seiten der Naturgewalten.
Auf Spiekeroog verbrachte der Künstler seine Kindheit, Jahr für Jahr über viele Wochen. Er kehrte als junger Erwachsener zurück, um diesen besonderen Ort mit geliebten Menschen zu teilen. Schließlich wurde ihm Spiekeroog mit dem legendären und einzigartigen Zeltplatz zum jährlichen Atelier von Mai bis September. Für Meyer-Oetzmann ist die Insel gelebte Realität einer über Jahrzehnte anderen Lebenserfahrung, die seine künstlerische Entwicklung beständig und spürbar bis heute prägt. Auf Spiekeroog hat er begonnen, die Natur als Gestaltungselement in seine Malerei aufzunehmen: Sand, Regen, Vögel, Insekten, Menschen und ihre Fußabdrücke sind willkommene Akteure seiner Bilder. Auch der mächtige Wolkenhimmel mit seinem Licht– und Schattenspiel.
Um die Spuren und Zeichen von dem, was Leben mehr sein kann, einzufangen, überlässt er seine Leinwände während der Malprozesse viele Tage und Wochen lang der Natur, setzt sie unter freiem Himmel der Witterung und Fügung aus. Kunst ist Ausdruck von Leben und Atmen und dem Willen, unsere Welt zu gestalten. Für Meyer-Oetzmann ist die Natur selbst die bemerkenswerteste Gestalterin und Spiekeroog ist lebenslanger Inspirationsort.
Seit dem Abschluss seines Kunst-, Design- und Pädagogikstudiums an der Universität und der Folkwang Schule Essen 1978 ist die Malerei für den erfolgreichen Designer und Salesmanager seine Gegenwelt. Der Kunstbetrieb und das Interesse an der Verwertung seiner Kunst war ihm nie wichtig. Er malt für sich und die Menschen, die seine Bilder sehen wollen. Zwischen abstraktem Expressionismus und Popart entwickelt Meyer-Oetzmann seine eigenwillige Bildsprache, die in der Malerei der Gegenwart ihresgleichen sucht.
Die Betrachtung seiner Bilder kommt einer Ausgrabung gleich. Jeder kann etwas anderes, andere Details freilegen. Man erkennt Vögel, Pflanzen, Blumen, Blätter, Tiere, Menschen, Gesichter, Landschaften, Interieurs, großformatige und kleinformatige Geschichten. Man kann die Augen auf Entspannung stellen und sieht eine weiträumige Szene oder man verfolgt die vielen kleinen Szenarien. Was zunächst abstrakt erscheint, eröffnet doch immer wieder gegenständliche bzw. figurative Sequenzen. Seine Bilder sind kompromisslos und zugleich dem Freigeist verschrieben mit dem Anspruch, das Unbewusste und das Unbekannte an die Oberfläche zu befördern. Der Maler löst auf, was wir zu sehen gewohnt sind, woran unsere Blicke und unsere Erkenntnisse sich festhalten wollen. Er demontiert die visuellen Codes, die vorschreiben, was Wirklichkeit ist.
„Ich bin quasi gegen die Welt“, sagt Meyer-Oetzmann in einem Interview 2015, „denn das ist die einzige Möglichkeit zu zeigen, was meine Welt ist. Mir selbst zu zeigen, dass ich noch finden kann und dass es noch Überraschungen gibt“.
„Wo das Geheimnis ins Dasein kommt“ hieß die Retrospektive von Meyer-Oetzmann 2020 in München. Die Ausstellung auf Spiekeroog von Mai bis Juli 2022 knüpft daran an und führt die Bilder zurück an ihren Ursprungsort. So wie der Inselsand auf den Leinwänden des Malers in die ganze Welt transportiert wurde, hat sich die Insel selbst in seine Haut gegraben.
Viele Geschichten der Insel schwingen in dieser Ausstellung mit, die erzählen, was sie einmal war und warum sie für den Künstler wurde, was sie heute ist. Auch Lebensgeschichten von Insulanern, die zu Freunden und Familie wurden, mit den Oetzmanns in die Großstadt gingen und wieder zurückkehrten. So wie er selbst über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren seine Inselidentität gelebt hat: Kommen und Gehen wie Ebbe und Flut im natürlichen Rhythmus der Gezeiten und der Anziehungskraft, immer in dem Bewusstsein, dem wichtigen Ort des Lebens die Treue zu erweisen. Klaus Meyer-Oetzmann vermittelt beides: Identität der Heimat Spiekeroog und den externen Blick auf diese Heimat.
Text: Heike Stockhaus, Ernst Barlach Gesellschaft, Hamburg, 2022
Anfragen an: heike.stockhaus@ernst-barlach.de
Weitere Infos zum Künstler: https://www.youtube.com/watch?v=6j4MbRzFTTE
Zweitagesworkshops "Painting on the Beach" mit Klaus Meyer-Oetzmann
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Der Eintritt ist während der Öffnungszeiten des Haus des Gastes "Kogge" kostenlos.
Es gelten die aktuellen Coronaregelungen, siehe https://www.spiekeroog.de/coronahinweise/